Elias

Felix Mendelssohn-Bartholdy

Wintersemester 2003/2004

Starkenburger Echo vom 19.02.2004:
Gottes Zorn in gesanglicher Gestalt
Konzert: Der Evangelische Studentengemeinschaftschor überzeugt mit “Elias„ in der Katholische Kirche Birkenau

BIRKENAU. Für die Katholische Kirchengemeinde Birkenau war es eine Premiere. Dort, wo bislang nur der Pfarrer und beflissene Messdiener ihren Fuß zu setzen befugt waren, nahmen am späten Sonntagnachmittag fast 60 Sänger Aufstellung Choristen des Evangelischen Studentengemeinschaftschors (ESG-Chor) aus Heidelberg, die instrumental begleitet vom Orchester der Heidelberger Peterskirche unter der Taktstockführung von Xaver Detzel Mendelssohn-Bartholdys zweite Oratorium, den “Elias„ in den vorderen Odenwald mitbrachten.
Dieses sicherlich bekannteste kirchenmusikalische Werk des deutschen Komponisten besticht durch eine durchgängige Dramaturgie, die fast schon an eine Oper denken lässt. Rezitative, Arien und Choräle kommunizieren und bilden so einen nahezu geschlossenen Handlungsrahmen. Ungewöhnlich für ein Oratorium auch, dass Mendelssohn-Bartholdy das zweiteilige Werk vor der Ouvertüre mit einem Rezitativ des Elias beginnen lässt, in dem dieser den vom Jahwe-Glauben abgefallenen Israeliten eine große Dürre und Hungersnot prophezeit.
Schon in den aller ersten drei Takten wird deutlich, dass es die dramatischen Aspekte der Bibelvorgabe waren, die Mendelssohn-Bartholdy im Mittelpunkt seines “Elias„ verwirklicht sehen wollte.
Die prophezeienden Worte aus dem 1. Buch Könige spiegeln Entschlossenheit wider; eine Beharrlichkeit, die auch den Komponisten eigen war ˆ keine leichte Aufgabe für den interpretierenden Solo-Bassisten, glaubwürdig den Zorn Gottes gesangliche Gestalt zu verleihen.
Die Stärken des Bassisten Michael Roman lagen am Sonntag indessen eher in der Ausgestaltung der durch Verzweiflung geschwächten Elias-Gestalt. Ob in Anbetracht seines “Fluches„ die abtrünnigen Israeliten zur moralischen Umkehr hätten bewegt werden können, ist eher fraglich. Dennoch feierte ihn das Birkenauer Publikum zu Recht, da es Michael Roman gelang, die emotionale Zwiespältigkeit zwischen Wut und Verzweiflung des Propheten Ausdruck zu verleihen.
Auch die Gesangssolistinnen Leila Trenkmann (Sopran), Annerose Hummel (Mezzo-Sopran), Judith Schneider und Antje Miksch konnten den verdienten Applaus der Konzertbesucher entgegennehmen. Stimmlich souverän und in jeder Hinsicht glanzvoll gestaltete der für den erkrankten Kollegen kurzfristig eingesprungen Solo-Tenor Malte Müller die Figur des “Obadjah„. Der junge Chor der ESG triumphierte stimmgewaltig über dem Geschehen, zwar dynamisch mitunter ein wenig zu entschlossen, aber dem hätte der Komponist in seiner ureigenen Intension wohl eher nachgesehen.
Xaver Detzel schien indessen auf die Souveränität seiner Ensemble zu vertrauen und ließ Solisten, Chor und Orchester viel Raum für eigene Interpretationen der Partitur.
Außer Zweifel steht, dass die Aufführung des “Elias„ am Sonntag eine mehr als gelungene Premiere darstellte. Ein ausverkauftes Gotteshaus und Standing ovations waren der sichtbare Beweis, dass große Oratorien in Birkenau vom Publikum durchaus ihren Platz haben.
Bleibt zu hoffen, dass es nicht das letzte mal war, dass Xaver Detzel, der ESG-Cho und das Orchester der Peterskirche Gäste der Katholischen Kirchengemeinde waren. Die Birkenauer freuen sich schon jetzt auf das musikalische Wiederhören.
kako

Brahms-Requiem

RNZ vom 08.12.2003
Klangbeseelte Totenmesse
Brahms-Requiem mit ESG-Chor und Peterskirchen-Orchester
Van Klaus Roß

„In Brahms‘ Requiem“ – so schwärmte Krtikerpapst Eduard Hanslick anlässlich einer Wiener Konzertpräsentation in Jahre 1875- „sehen wir mit den reinsten Kunstmitteln das höchste Ziel erreicht, Wärme und Tiefe des Gemüts bei vollendeter technischer Meisterschaft, nichts sinnlich blendend und doch alles so tief ergreifend; keine neuen Orchester Effekte, aber neue, große Gedanken und bei allem Reichtum, aller Originalität die edelste Natürlichkeit und Einfachheit.“ So viel romantischen Überschwang dieses zeitgenössische Urteil auch enthalten mag, so treffend scheint es immer noch die subtile Eigenart des Brahms’schen Werkes zu bezeichnen und damit zugleich dessen spezifischen künstlerischen Anspruch anzudeuten. Trotz ihrer sinfonischen Besetzung und Ausdehnung ist die 1868 vollendete Totenmesse nämlich in erster Linie eine lyrisch-kontemplative Komposition, deren stark traditionsorientierte Klassizität freilich festen gestalterischen Zugriff erfordert.
Brahms‘ genreuntypische Zusammenstellung deutscher Bibeltexte ist markanter Reflex einer liturgisch wie konfessionell ungebundenen Religiosität, die vor allem trostreiche Zuversicht auf das ewige Leben vermitteln will.
Nicht zufällig erinnert sein siebensätziges Stück an Robert Schumanns heute sträflich ignoriertes (lateinisches) Requiem op. 148 von 1852, an dessen verinnerlichte Bekenntnisse es unleugbar anknüpft.
In der Heidelberger Peterskirche konnte man jetzt unter dem selbstbewussten jungen Dirigenten Xaver Detzel eine zwischen energisch bewegter Spiritualität und sonor erfüllter Intimität geradezu vorbildlich ausbalancierte Wiedergabe des Brahms’schen Meisterwerkes hören. Die in allen Stimmgruppen glänzend disponierte ESG-Kantorei und das nicht minder gut aufgelegte Orchester der Peterskirche boten eine überzeugend homogene Ensembleleistung, die den sensiblen Verschränkungen von Vokal- und Instrumentalpart auf ebenso präzise wie variable Weise gerecht wurde.
Wichtigste Pluspunkte der erst im Schlussteil („Selig sind die Toten“) kleinere Konzentrationsdefizite verratenden Aufführung waren die flüssig animierten (dabei bestens binnendifferenzierten, nie verhetzten) Tempi, die hohe klangliche Transparenz (bei immerhin über 100 Choristen und knapp 50 Orchestermitgliedern), die markanten rhythmischen Konturen, die beredt akzentuierte Phrasierung und die über fast 70 Minuten hinweg bezwingend organisch entwickelte Ausdrucksspannung.
Der ESG-Chor bestach durch superb klare Intonation bzw. Artikulation und überdurchschnittliche dynamische Flexibilität, das wohl gleichermaßen sorgfältig vorbereitete Orchester durch feingliedrige Streicherwärme und ausgewogene Bläserprägnanz.
Michael Roman Müllers fesseInd kultivierte Bariton-Expressivität (in Nr. 3 „Herr, lehre doch mich“ und Nr. 6 „Denn wir haben hie keine bleibende Statt“) und Sabine Goetz‘ anrührende sopranistische Leuchtkraft (in Nr. 5 „Ihr habt nun Traurigkeit“) lieferten die inspirierte solistische Abrundung einer uneingeschränkt formidablen Brahms-Interpretation, die auch den klangmächtigen Aufschwüngen des Werkes (in Nr. 2 „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“) nichts an strömender Emphase und drängendem Nachdruck schuldig blieb. Eine erstaunlich reife Brahms-Aneignung, die romantische Passioniertheit nicht mit klischeehafter Schwerblütigkeit verwechselte und vielleicht gerade deshalb so tiefe Wirkung hinterließ.
Das Publikum in der prächtig besuchten Peterskirche feierte die Akteure.