Johannes-Passion

Johann Sebastian Bach

Wintersemester 2004/2005

RNZ vom 16.02.2005

Rasendes Volk
ESG-Chor mit Bachs „Johannespassion“
Von Miriam Wittner

Bachs Johannespassion ist vielleicht in noch größerem Maße als das später entstandene Schwesterwerk von dramatischem Ausdruck geprägt. Anteilnahme am Passionsgeschehen und Heftigkeit im Wechsel der Gefühle kennzeichnen die musikalische Gestaltung Bachs. Demgegenüber steht allerdings die Textgrundlage des Johannesevangeliums, die auf effektvolle Details wie etwa den Judaskuss weitgehend verzichtet. Diesen Kontrasten wurde die Aufführung des Chors der Evangelischen Studentengemeinde Heidelberg, begleitet vom Orchester der Peterskirche unter der Leitung von Xaver Detzel, gerecht. Wegen Renovierungsarbeiten in der Peterskirche hatten die Ausführenden in die Weststadt-Christuskirche ausweichen müssen.
Voluminös, den chromatischen Schattierungen Bachs folgend und mit großer Stimmen-Präsenz trat der gut 100-köpfige Chor von Anfang an in einen Dialog mit dem Dirigenten Xaver Detzel, der dynamisch und präzise Chor, Orchester und Solisten miteinander in Verbindung treten ließ.
Wenn auch vielleicht bei den Fugati des Eingangschores nicht so souverän, gelang es den Sängern des ESG in den kürzeren Turba-Chören wie etwa beim „Kreuzige“ oder „Wir haben ein Gesetz“ überzeugend, die Menge des sensationslüsternen Volkes spitz und ausdrucksstark wiederzugeben. Zur vollen Entfaltung kamen die Stimmen dann aber in den Chorälen, die sich zum Ende hin in der von Detzel deutlich geforderten Dynamik enorm steigerten.
Auch das Orchester überzeugte durch Spielfreude, vermochte sich an den vom Chor dominierten Stellen zurückzunehmen, um dann in den das Werk durchziehenden Läufen für die nötige Dramatik zu sorgen.
Emphatisch und klanglich hervorragend agierten besonders die Holzbläser sowie die Violinisten Manfred Becker und Miroslav Jahoda, Michael Spengler an der Gambe und Daniel Kirchmann an der Orgel. Der Tenor Rüdiger Husemeyer vermochte dem Evangelisten nicht so viel Ausdruck zu verleihen wie der Bass Michael Roman, der stimmlich eine überlegene, in sich ruhende Jesus-Partie wiederzugeben wusste, Sabine Gotz (Sopran) und Sandra Stahlheber bewegten durch warmen Lyrismus, German Miksch (Tenor) kam nur eine kleine Rolle in den Rezitativen zu.